Efeu - Die Kulturrundschau
Die besten Kritiken vom Tage. Wochentags um 9 Uhr, sonnabends um 10 Uhr.
März 2014
31.03.2014. Peter Konwitschnys Inszenierung der Janacek-Oper "Jenufa" spaltet den Kritiker der Presse mitten entzwei. Philipp Tiedemanns Inszenierung von George Taboris Auschwitz-Stück "Die Kannibalen" rutscht der taz etwas zu glatt runter. Im Im Tagesspiegel protestiert die Schriftstellerin Gisela von Wysocki gegen Sibylle Lewitscharoffs Feminismuskritik: Sie schielt. Und Thomas Struth erklärt, warum auf seinen Fotos von Hochsicherheitstrakten der Forschung keine Menschen zu sehen sind.
29.03.2014. In der taz erklärt Ai Weiwei: Ein Fisch muss schwimmen. Margaret Atwood erzählt, wie sie digital in die Fußstapfen von Charles Dickens tritt. Und John Hurt erklärt, wen die fast nicht erkennbare Tilda Swinton sich für ihre Rolle in Bong Joon-hos "Snowpiercer" zum Vorbild nahm. In der SZ erklärt Andrea Breth, warum sie Pinters "Hausmeister" inszenieren wollte. Critic.de steht etwas traurig in der Hans-Richter-Ausstellung: alles so heilig-affirmativ hier. In der Abendzeitung warnen Freunde Joseph von Westphalen vor Schlöndorffs "Baal".
28.03.2014. Im Tagesspiegel erklärt Universal-Chef Frank Briegmann, wie Musiker mit Streaming ganz viel Kleingeld verdienen. In Forbes erklärt der Wu Tang Clan Musik zum Kunstwerk und will Damien-Hirst-Preise. NZZ und FAZ sehen in Paris einen ganz anderen "Tartuffe" als in Wien - obwohl beide Male Luc Bondy inszenierte. Die Berliner Zeitungen bewundern "Hunter", die erste Soloarbeit der Tänzerin Meg Stuart. In der Welt geißelt Feo Aladag den Sexismus deutscher Filmkritiker. Und der Guardian denkt über die Charakteristika italienischer Mode nach.
27.03.2014. Die Uni Konstanz erklärt, warum die Zeitschriften von Elsevier aus ihrer Bibliothek fliegen. Die Presse geißelt den Theater-Schwanzvergleich reisender Regietheatervertreter. Gawker begutachtet den neuen Haarschnitt für alle Nordkoreaner. Der Rest des Feuilletons beugt sich über Spike Jonzes "Her".
26.03.2014. Der Freitag tanzt den Chodzinski. Der Tagesspiegel besucht Ai Weiwei. In der Zeit erklärt Spike Jonze, was er beim Skateboardfahren fürs Filmemachen gelernt hat. Die taz beobachtet übermütige Digitalverleger in Berlin. Die NZZ freut sich schon auf die Sauna der Finnen in Frankfurt.Und die Welt staunt: Selbst Lady Gaga zelebriert den Untergang des Kapitalismus.
25.03.2014. Der neue Pritzkerpreisträger Shigeru Ban baut am liebsten mit Karton, erzählt der Guardian. Presse und Standard fragen: Was wird aus der Sammlung Essl nach der Pleite von Karlheinz Essls Firma Baumax. In NYT und SZ empfiehlt Colson Whitehead frustrierten Romanciers ein kritikerresistentes Schreibprogramm: LitMode 100. Der französische Verlag Gallimard ist jetzt Teil der Luxusindustrie, meldet Telerama. Und die FR beobachtet gerührt ein liebestrunkenes Publikum bei Lang Lang.
24.03.2014. In der NZZ schlägt Tibor Joanelly eine Demokratisierung der Planungsprozesse für den Städtebau vor. Wie man ein eigenes Geschmacksurteil entwickelt, lernt man derweil bei Diderot. Der Regisseur Peter Kubelka erklärt im Filmmagazin Ray, warum er Godard für total überbewertet hält. Im Tagesspiegel ermuntert Adam Thirlwell Schriftsteller zu einer furchtlosen Aneignung des Digitalen.
22.03.2014. Die Zeit hört extrem schönes Geraschel vom Musiker Hauschka. Die FR verheddert sich in einer Ausstellung über die "Göttliche Komödie" im Geflecht aus Geschichte, Nationalität, Postkolonialismus und globalen Märkten. Der Standard erlebt aufregenden Tanz auf Zuruf beim Imagetanz-Festival. In der NZZ verkündet Jonathan Lethem: alle Literatur ist politisch.
21.03.2014. In Ägypten drohen dem Schriftsteller Karam Saber wegen eines Erzählbandes fünf Jahre Gefängnis, berichtet die NZZ. In der FAZ setzt Thomas Mann seine ganze Hoffnung in die Sowjetunion. Der Standard lernt von der Filmemacherin Ruth Beckermann: "Das Zufällige ist das Grundsätzliche." Die taz bewundert die Synapsenverknüpfungen des Künstlers Geoffrey Farmer. Die Jungle World resümiert das ungarische Theaterfestival "Leaving is not an Option?".
20.03.2014. Die FR stellt ein Opfer des endlos ausgewalzten Urheberrechts vor: Volker Schlöndorffs Brecht-Verfilmung "Baal", die man 44 Jahre nach der Erstaufführung jetzt erst wieder sehen darf. Karin Bergmann wird als neue Burgchefin zwei Jahre versuchen, das Theater vor der Insolvenz zu retten, meldet die NZZ. Die Trierer haben sich in der Antike besser amüsiert als die Römer, lernt die Welt in einer Schau über römisches Leben in Süddeutschland.
19.03.2014. SZ und Standard beklagen die Qualität zeitgenössischer Choreografie. Die Welt meint über antisemitischen Rap: alles Kunst. In den Niederlanden sieht man das etwas anders: Dort regt man sich über die simulierte Hinrichtung Geert Wilders' in einem Video des Rappers Hozny auf, berichtet die Presse. In Cicero fragt Helmuth Lethen, warum immer nur Opfer und so selten kämpfende Personen fotografiert werden. Der Standard empfiehlt einen Film der Riahi Brothers über neue gewaltlose politische Widerstandsformen.
18.03.2014. In der taz fragt sich der syrische Filmregisseur Talal Derki, ob der Preis für den Aufstand gegen Assad nicht zu hoch war. Pitchfork feiert die Hardcore-Punkband Perfect Pussy. Die Welt hört in Antoine Mariottes Einakter "Salome" eine Getriebene in einer triebhaften Männerwelt. Die NZZ liest Julius Margolins Aufzeichnungen über seine Zeit im Gulag. Jezebel begutachtet schusssichere Westen bei der Fashion Week in Kiew. Und Belgien hat die Fußball-WM quasi gewonnen.
17.03.2014. Zu Tränen gerührte Kritiker sahen am Berliner Maxim Gorki Theater Yael Ronens Inszenierung von "Common Ground", einem Stück über die jugoslawischen Bürgerkriege. Das Art Magazin stellt den britisch-nigerianischen Künstler Yinka Shonibare vor. Im Blog My Husband's Stupid Record Collection hört sich eine Bibliothekarin alphabetisch durch die 1500 Schallplatten ihres Ehemanns. Die Welt würdigt Arno Schmidt als Landschaftsfotografen. Die NZZ entdeckt Gemeinsamkeiten von Sachsen und Schweizern.
15.03.2014. Rem Koolhaas ermahnt seine Architektenkollegen, jene Hälfte der Menschheit nicht zu vergessen, die nicht in Städten lebt. Die Berliner Zeitung besichtigt die Küche des kuriosen Melancholikers Wols. Unter ukrainischen Schiftstellern macht sie außerdem einen skeptischen Optimismus aus. Die NZZ sorgt sich um die Zukunft des Burgtheaters. Und die Jungle World ärgert sich über die Auswahl an Schweizer Literatur in deutschen Lehrplänen.
14.03.2014. Alle freuen sich über den Leipziger Buchpreis für Saša Stanišić. Im Freitag fragt sich Autor Alexander Schimmelbusch, ob man als Schreibschulabsolvent überhaupt noch ein eigenwilliger Wildfang-Wolfsbarsch sein kann. Die Philosophin Bettina Schöne-Seifert fragt in der NZZ Sibylle Lewitscharoff, ob sie moderne Medizin nur bei der Fortpflanzung ablehnt ober auch bei gottgemachten Naturkatastrophen. Die Welt erzählt, wie die Regierung Erdogan Theater drangsaliert, die keine AKP-kompatiblen sittlichen Werte vertreten. Die Berliner Zeitung kritisiert die MaerzMusik als zu selbstbezüglich.
13.03.2014. Sybille Lewitscharoff betreibt die Ausweitung von Facebook ins Analoge, meint Eva Menasse in der Zeit. Zeit und Presse sind empört über das Bauernopfer Matthias Hartmanns am Wiener Burgtheater. Nichts ist objektiv, nichts dokumentarisch, erklärt der amerikanische Fotograf Roger Ballen in Lensculture. Und Fandor bringt Reaktionen zum Tod der großen tschechischen Regisseurin Věra Chytilová.
12.03.2014. Keine Tränen für Matthias Hartmann: Die fristlose Kündigung des Burgtheaterdirektors geht für die Kritiker in Ordnung. Die Berliner Zeitung hörte Maurizio Pollini reine Kalligrafien der Luft spielen. Anders als Necla Kelek gestern freut sich Detlev Claussen heute über den Buchpreis zur Europäischen Verständigung für Pankaj Mishra. Die FAZ begutachtet den Maler Félix Vallotton, einen postimpressionistischen Tiger, der als Bettvorleger endete.
11.03.2014. Leicht gebeutelt, aber doch ganz froh verließ die Presse Elfriede Jelineks "Rein Gold" an der Staatsoper Berlin: selbst die Rehabilitierung des Trautoniums gilt als gelungen. Die Welt singt ein Liebeslied an die Projektionsfläche Kylie Minogue. Wer sich in diesem Frühjahr mit deutscher Literatur langweilt, ist selbst schuld, meint die taz und empfiehlt die neuen Romane von Per Leo, Katja Petrowskaja und Sasa Stanisic. In WDR 3 outet Burkhard Müller-Ullrich den FAZ-Kilroy.
10.03.2014. Dezeen stellt das Mahnmal des schwedischen Künstlers Jonas Dahlberg für die Opfer von Anders Breivik vor. Die Jungle World denkt über Gesangmodulation, Maskerade und Gender in der Pop-Musik nach. Mashable fragt: Macht Photoshop die Fotografie kaputt? In der Welt erklärt Katja Petrowskaja: Seine Opferrolle kann Maxim Biller behalten. Am Burgtheater gerät Matthias Hartmann wegen seiner Honorare unter Druck, berichtet die Presse. Und: Alle trauern um Gerard Mortier.
08.03.2014. Die Debatte um Sibylle Lewitscharoffs Tirade gegen die künstliche Befruchtung geht weiter: In der Zeit versteht Jo Lendle Lewitscharoffs Aufregung nicht: Selbst Jesus hat seine ungewöhnliche Geburt nicht geschadet. Die taz hält eine freie Sexualität nicht für linke Spinnerei ist, sondern für Normalität in einem Rechtsstaat. Die Welt verteidigt Lewitscharoff gegen die "Diktatur des Mainstreams". In der NZZ huldigt Juri Andruchowytsch außerdem dem aufständischen Ethos des ukrainischen Nationaldichters Taras Schewtschenko. Die SZ entdeckt Emil Nolde neu. Und in der Jungle World beleucht Harun Farocki die Avantgarderolle des Militärs.
07.03.2014. Allgemeine Fassungslosigkeit über Sibylle Lewitscharoffs Dresdner Rede zur künstlichen Befruchtung. Im Gespräch mit der FAZ relativiert und insistiert die Autorin gleichzeitig: Darf ich nicht sagen, was ich denke? Auch wenn es nicht so gemeint ist? Im Art Magazin erklärt der polnische Künstler Pawel Althamer, wie man sein Ego tötet. Die SZ annonciert einen - überfälligen - postmigrantischen Aufstand an deutschen Theatern. Die NZZ hört Mark Andres Oper "wunderzaichen" und meint: Wunderbar, aber was will sie?
06.03.2014. Kinder aus künstlicher Befruchtung als "Halbwesen" - die taz schaut entsetzt in den Abgrund von Sibylle Lewitscharoffs Bioethik. Und warum reagiert keiner, fragt Stefan Niggemeier. Der Freitag fragt, warum für den Echo-Musikpreis nur der ästhetische Bodensatz deutscher Popkultur nominiert wurde. Posieren vor der Kamera stiftet noch keinen Frieden, lernt die Welt bei einer Ausstellung des Street-Art-Künstlers JR.
05.03.2014. Die Berliner Zeitung ist empört: Soll Caravaggios "Amor" wirklich abgehängt werden, weil Pädophile Gefallen an dem nackten Knaben finden könnten? Bei Mädchen hat man dieses Problem ja eher nicht, stellt die SZ mit Blick auf Push-Up-BHs und High Heels für Zehnjährige fest. Die Nachtkritik sieht nach 40 Jahren Philip Glass' Oper "Einstein on the beach" und stellt fest: Die Revolution lässt sich nicht mehr ins Heute retten. Bei artechock fragt Rüdiger Suchsland, warum die Filmkritik bei der Beltracchi-Doku ausgeschaltet wurde. Und: Blogs sind das neue Ding bei Verlagen, meldet der Tages-Anzeiger.
04.03.2014. Nach Mark Andres erster, in Stuttgart uraufgeführter Oper "wunderzaichen", sind die Rezensenten noch relativ platt: Kann es sein, dass Andre die Musik wieder zu sich selbst gebracht hat? In der FAS analysiert Diedrich Diederichsen das komplizierte Verhältnis zwischen Popmusiker und Zuhörer. Die NZZ hört auf Youtube die Odyssee in vier Minuten.
03.03.2014. Die NZZ besucht die Biennale in Cartagena, Kolumbien. Der Tagesspiegel findet die deutsche Literatur zwar meist langweilig, möchte das aber lieber nicht so laut sagen. Die Berliner Zeitung bewundert Techniken des Boulevards bei Sebastian Hartmanns Inszenierung von John Goldmanns "Der Löwe im Winter". Alle trauern um Alain Resnais.Und die Oscars. Mit dem Selfie.
01.03.2014. Die NZZ bewundert die böse Kraft und subversive Schärfe, mit der Volker Lösch in Basel Frischs "Biedermann und die Brandstifter" inszeniert. SZ, Welt und taz fragen Sachsen-Anhalts Kultusminister Stephan Dorgerloh, warum Philipp Oswalt nicht mehr Bauhausdirektor in Dessau sein darf. Charles Simic stellt sich in der NYRB vor, sein Grabstein wäre eine Jukebox. Die Berliner Zeitung gerät dank Sellars, Rattle und den Berliner Philharmonikern mit Bachs Johannes-Passion in einen spirituellen Taumel. Die taz tanzt zu Pharrell Williams' "G I R L".