Jörg Häntzschel scheint in der
SZ ganz angetan von der
60. Venedig-Biennale, anders als manche seiner Kollegen (
Unsere Resümees) und teilt Eindrücke aus den verschiedenen Pavillons. Nicht alles ist spannend, räumt der Kritiker ein, dafür geht manches so richtig unter die Haut: "Das ukrainische Kollektiv
Open Group gibt dort unter dem Titel 'Repeat After Me' Videounterricht in der Sprache des Kriegs. Die Abfolge der Videos immer dieselbe: Kriegsflüchtlinge schauen emotionslos in die Kamera, sagen ihren Namen und ihren Herkunftsort. Dann ahmt jede und jeder von ihnen das
Geräusch einer russischen Waffe nach: den T-80-Panzer, den Kampfbomber Su 34, die AK 47. Sie machen 'Wuuuhuuu-Buhh', 'SHHhhhhh-s-s-shhh-sh' oder 'TDDDDZDZHZZZHHHZZZHHH'. Zweimal heulen, rattern, zischen sie die Geräusche in die Kamera, dann sind die Schüler dran, das Gelernte mithilfe der phonetischen Umschreibung und der
stummen Lippenbewegungen zu wiederholen. Niemand wagt es, nach vorn zu treten. Die Ukrainer bleiben allein mit den grotesken Tonfolgen."
Sophie Jung ist in der
taz nicht so
ganz glücklich damit, wie hier Kunst aus dem "
Globalen Süden" präsentiert wird. Das Motto "Foreigners everywhere" findet sie toll, "doch das gewitzte Sprachspiel von
Claire Fontaine, das eigentlich alle zu Fremden macht, wird von Pedrosa in dieser Ausstellung wieder zurückgedreht. Adriano Pedrosa... will den Fokus auf diejenigen legen, die über Dekaden von der westlichen Kunstwelt nicht beachtet wurden. Das ist ein gutes Anliegen. Doch Pedrosa muss die von der Kunstgeschichte Marginalisierten erst einmal identifizieren, sie vielleicht
mehr zu Fremden machen, als sie es sind... Dabei scheint Pedrosa sich mit der
Identität als künstlerischer Kategorie keinen Gefallen getan zu haben, visuell schön angeordnet, hängt die Kunst hier häufig in einem luftleeren Raum. Hätte Pedrosa die Übersehenen der jüngeren Kunstgeschichte nicht ganz selbstverständlich als Teil einer globalen Kunst positionieren können, ohne diese soziogeografische Trennlinien ziehen zu müssen?"
Auch Boris Pofalla und Marcus Woeller machen in der
Welt einen Rundgang durch die Pavillons. Im
Tagesspiegel berichtet Birgit Rieger.
Für die
taz besuchen Waltraud Schwab und Jens Gyarmati die Fotografin
Gundula Schulze Eldowy, die mit ihren Fotos aus dem
Ost-Berlin der Siebziger und Achtziger Jahre berühmt wurde "die die Menschen mit schonungsloser Offenheit zeigen. Sie waren den DDR-Oberen nicht genehm. Direktheit strahlen die Leute auf den Schwarz-Weiß-Fotos aus. Und in der
Direktheit liegt Unangepasstheit. Da ist keine sozialistische Propaganda, sind keine Potemkinschen Dörfer, stattdessen das unsanierte Berlin von damals,
mit Einschusslöchern noch in den Häuserwänden. Heute ist ihre Wohnung vor allem Archiv, denn Schulze Eldowy lebt, wenn sie nicht in Berlin ist und sich um ihr Œuvre kümmert, oft länger in Peru, am Fuße des Cerro Bianco, des Weißen Berges.
Perlentaucher Peter Truschner, der
einige Verdienste für die
Wiederentdeckung Schulze Eldowys hat,
weist im "Fotolot" im übrigen noch auf eine Berliner
Ausstellung mit ihren Aktbildern hin - Bilder, die so
noch nie gezeigt oder veröffentlicht worden sind - die Bilder werden nächstes Wochenende nur für drei Tage gezeigt.
Ebenfalls in der
taz schreibt Benno Schirrmeister über den Raub von
kostbarer chinesischer Keramik aus gleich drei deutschen Museen. Der Handel mit gestohlener Kunst boomt, weiß Schirrmeister: "Allein in Europa sind 2020 laut Interpol 567.465 gestohlene Kunstobjekte durch die Polizei eingezogen worden. In Deutschland liegt die Aufklärungsquote bei Kunstdiebstahl
bei rund 30 Prozent. Die Zahlen machen die Einschätzung des Deutschen Museumsbundes plausibel, laut der 'das finanzielle Volumen des illegalen Kunsthandels international an dritter Stelle hinter dem Drogen- und dem illegalen Waffenhandel' rangiert. Das Forschungsinstitut der Vereinten Nationen für Kriminalität und Rechtspflege (Unicri) geht davon aus, dass er vor allem die diffuse Bedrohung finanziert, die Sicherheitsfachleute '
internationalen Terrorismus' nennen."
Weiteres: Der
Tagesspiegel meldet mit
dpa eine besonders eindeutige Kunstaktion der Aktivistinnen-Gruppe
Pussy Riot: Bei einer Performance in der Pinakothek der Moderne in München urinierten die Frauen auf ein
Bild von Wladimir Putin. Anne Diekhoff
trauert in der taz um die
Alte Börse in Kopenhagen - ein kleiner Trost sind ihr die Videos, die Passanten dabei zeigen, wie sie
Kunstwerke aus dem Innenraum retten, bevor das Gebäude endgültig in Flammen aufging. die Die
FAS stellt ihre "Vier Fragen" dieses Mal der Direktorin des Gropius-Bau,
Jenny Schlenzka. Max Florian Kühlem war für die
SZ in drei Ausstellungen, in denen man Kunst nicht nur anschauen, sondern auch anfassen darf: "SHAPE! Körper + Form" im
Lehmbruckmuseum Duisburg
, "Tony Cragg. Please touch!" im Kunstpalast Düsseldorf und "
Kopfüber in die Kunst" im Dortmunder U. Besprochen wird ansonsten die Ausstellung "Poetics of Encryption" im
HKW Berlin (
FAS).