Efeu - Die Kulturrundschau - Archiv

Film

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Efeu - Die Kulturrundschau vom 11.05.2024 - Film

Lukas Foerster und André Malberg resümieren im Perlentaucher die Internationalen Kurzfilmtage Oberhausen. Foerster rekonstruiert noch einmal die bizarren Dynamiken, die sich aus den wohl bewusst bösartigen Missdeutungen eines Facebook-Postings von Festivalleiter Lars-Henrik Gass ergaben, der sich kurz nach dem 7. Oktober mit Israel solidarisiert hatte. Die Folgen daraus lassen sich wohl wirklich nur mit der "pathosbesoffenen Komplettunentspanntheit" der heutigen "Social-Media-Diskursgegenwart" erklären. Foersters Fazit: "Wie aber ist diese elendige Vorgeschichte hinterher zu bewerten, nach einem krawallfreien und auch sonst weitgehend erfolgreich absolvierten Festivalausgabe? Die diversen diskursiven Verengungen und Verkrampfungen, die unsere Mediengesellschaft prägen, werden wir nicht so schnell los werden. Aber den Beweis, dass es möglich ist, ein anregendes, dem friedlichen Diskurs verpflichtetes und, ja, auch diverses Filmfestival zu organisieren, ohne sich von humorbefreiten Schreihälsen vor sich her treiben zu lassen, den haben die Kurzfilmtage Oberhausen dieses Jahr erbracht." Weitere Resümees schreiben Stefan Laurin (Jungle World) und Lukas Barwenczik (Filmdienst).

Weitere Artikel: Jakob Thaller spricht für den Standard mit dem iranischen Regisseur Alireza Khatami, der in seinem satirischen Episodenfilm "Irdische Verse" den teils bizarren Alltag in Iran aufs Korn nimmt. Axel Weidemann gratuliert in der FAZ der Schauspielerin Sabine Postel zum 70. Geburtstag. Marie-Luise Goldmann erinnert in der Welt daran, wie Alfred Hitchcock einst im Carlton Hotel in Cannes "Über den Dächern von Nizza" drehte. Besprochen werden die ARD-Serie "Die Zweiflers" (für die SZ online nachgereicht vom TA, BLZ), Wes Balls neuer "Planet der Affen"-Film (Welt), der neue Garfield-Animationsfilm (Standard), neue Kinofilme über Väter (TA) und die ARD-Serie "Player of Ibiza" (Zeit Online).

Efeu - Die Kulturrundschau vom 10.05.2024 - Film

Warum sucht er sich nicht einfach ein nettes Hobby? "Bad Director" von Oskar Roehler mit Oliver Masucci, der Roehler ähnelt, aber Gregor Samsa heißt.

Oskar Roehlers "Bad Director", eine lose Adaption seines 2017 erschienenen, autobiografischen Romans "Selbstverfickung", spaltet die Kritik. Die grelle Satire auf den Filmbetrieb - und das vornehmlich auf eigene Kosten - findet FAZ-Kritiker Andreas Kilb schrecklich verlabert: Zwar "gibt es auch ein paar weniger selbstgefällige Szenen in diesem Film, und in der besten davon beißt Anne Ratte-Polle ... in einen Flokatiteppich. Aber sofort geht das Gequassel weiter. Wenn man sich in Zukunft etwas wünschen dürfte vom alternden cineastischen Enfant terrible Oskar Roehler, dann wäre es weniger Palaver." Tagesspiegel-Kritiker Andreas Busche winkt angesichts der Provokationen und Provokatiönchen Roehlers müde ab: "Natürlich legt Roehler es darauf an, dass ein gewisser Schlag von Kritikern sich über seine Filme empört. ... Wenn die Provokation inzwischen aber der einzige Grund für diese Arbeitsverweigerung von einem Kinofilm ist, warum sucht sich der Regisseur nicht einfach ein nettes Hobby?"

Differenzierter umkreist Perlentaucher Jochen Werner "Roehlers lustigsten Film": Dessen "Lebensthema" ist immerhin "das Böse, das Lächerliche und das Mickrige nicht als das Andere bloßzustellen. Die da, aber nicht wir - das war nie Roehlers Modus von Kritik. Sein künstlerisches Projekt war immer, den Nazi, den Sexisten, den Zwangsneurotiker, den Narzissten, den lächerlichen alternden Mann in uns allen ans Tageslicht zu zerren - und zuallervorderst in sich selbst." SZ-Kritiker Philipp Bovermann kommt auf seine Kosten: Der Film "ist natürlich geschmacklos, auf eine Art, die erst gar nicht versucht, auf irgendwelchen Metaebenen raffiniert zu sein. Die Metaebene ist, dass alle sich mal verpissen können. Weshalb man 'Bad Director' wohl nicht recht täte, den Film für etwas zu preisen, das er gar nicht sein will - auch das Feuilleton spielt in dieser Aufführung natürlich seine Rolle. Vielleicht ist der Film einfach nur das, was er ist: ein deutscher Horrorfilm. Ein lustiger und sehr, sehr böser."

Auf Artechock erzählt Dunja Bialas von ihren Eindrücken bei den Internationalen Kurzfilmtagen Oberhausen, wo sie ein Panel moderierte. Im Vorfeld wurde sie dafür von manchen aus der Branche unter der Druck gesetzt, und wenn es nur die angedrohte Entfreundung auf Facebook war. Dabei war das Festival in diesem Jahrgang ein gutes Beispiel für Deeskalation, für die Rückkehr zum produktiven Streit, schreibt sie - während viele dem Festival demonstrativ fernblieben. Für sie ist es "unerklärlich, weshalb sich der Kulturbetrieb gerade von innen her zu zersetzen scheint. Außer, weil man das gerade irgendwie geil findet. Kulturkampf! Ich denke an die Freunde, die ich nicht entfreudet habe, obwohl sie es von mir verlangt haben, weil ich nach Oberhausen gefahren bin (und dort noch dazu eine aktive Rolle übernommen habe). Ich denke daran, an welchen gemeinsamen Projekten wir mal gearbeitet haben. Da ging es um die Sichtbarmachung von Filmen. ... Ich denke daran, wie einer dieser Freunde mich mal gefragt hat, ob wir jetzt als Festival ihre Filme nicht mehr zeigen, sie als Kritiker nicht mehr besprechen wollen. So ein Schmarrn! war es mir damals entfahren. Und jetzt: Zeigen sie selbst ihre Filme nicht mehr. Reisen nicht an, weil sie nicht diskutieren wollen. Silencen sich selbst."

Eine fürchterliche Meldung aus den Agenturen: Kurz bevor Mohammad Rasoulof seinen neuen Film "Der Samen der heiligen Feige" in Cannes zeigen kann, hat das Regime von Teheran den iranischen Berlinale-Gewinner zu acht Jahren Haft und einer Auspeitschstrafe verurteilt.     

Weiteres: Lisa Füllemann zeichnet im Tagesanzeiger die Karriere von Zendaya vom Teenie-Idol zum Schauspielstar nach. Andreas Scheiner porträtiert in der NZZ den Regisseur Marc Forster, der von der Schweiz aus Hollywood erobert hat. Gesine Borcherdt erinnert in der Welt an den Experimental- und Animationsfilmpionier Oskar Fischinger.

Besprochen werden Heidi Specognas Porträtfilm "Die Vision der Claudia Andujar" (Perlentaucher), Wes Balls Science-Fiction-Film "Planet der Affen: New Kingdom" (Standard, FD, SZ), Pablo Bergers Animationsfilm "Robot Dreams" (Standard), die ARD-Serie "Player of Ibiza" (taz), David E. Kelleys auf Netflix gezeigte Verfilmung von Tom Wolfes Thriller "Ein ganzer Kerl" (FAZ), Mark Dindals Animationsfilm "Garfield" (Welt), die britische TV-Doku "Spacey Unmasked", die die Vorwürfe gegen Kevin Spacey bekräftigt (NZZ)  sowie die Serien "Baby Reindeer" (NZZ). "The Tattooist of Auschwitz" (Welt-Kritiker Elmar Krekeler spürt ein "Unbehagen, dass hier eine Urkatastrophe an die Gefühligkeit verhökert wurde"), "Feud II - Capote vs. The Swans" (Freitag) und "Maxton Hall" (FAZ),

Efeu - Die Kulturrundschau vom 08.05.2024 - Film

Die frühere Ko-Geschäftsführerin des Meta-Konzerns Sheryl Sandberg arbeitet mit dem kostenlos ins Netz gestellten Dokumentarfilm "Screams Before Silence" die Vergewaltigungen der Hamas vom 7. Oktober auf, die gerade aus dem Milieu, das sonst "Believe Women" ruft, opportun angezweifelt werden. "Unter der Regie von Anat Stalinsky macht Sandberg eine sorgfältige Beweisführung, die den letzten Zweifler verstummen lassen muss", schreibt Birgit Schmid in der NZZ. "Oder müsste. Ihr Film erzählt noch einmal das ganze Ausmaß der Barbarei der Hamas-Terroristen, die sich auf brutalste Weise sexuell an Frauen, Mädchen und Männern vergingen. Darüber hinaus wird deutlich, dass die Vergewaltigungen und Verstümmelungen durch die Hamas bewusst und vorsätzlich erfolgten. Das geht aus den Aussagen von Polizisten und Gerichtsmedizinern hervor, die klare Muster erkennen. Nur die Uno hält dies noch immer nicht für ganz wahr." Hier ist der Film auf Youtube zu sehen, wegen einer Altersbeschränkung ist er nicht einbindbar.

Die Filmkritiker blicken zurück auf den im Vorfeld wahrscheinlich aufgeladensten Jahrgang der Kurzfilmtage Oberhausen seit langem. Eher unwohl war tazler Fabian Tietke bei den Diskussionen, die wegen propalästinensischer Anfeindungen des Festivals einberufen wurden, über Sinn und Zweck des universalistischen Gedankens von Filmfestivals und den Konformitätsdruck, der von bestimmten Milieus aus auf den Kulturbetrieb ausgeübt wird: "Eine Trutzburg von vermeintlichem Konsens" erlebte er bei "konfus moderierten Panels" und bezeugt zudem einen "Popanz postkolonialer Identitätspolitik, der weder deren Realität noch die Tendenz des aktuellen Festivalbetriebs wiedergab". Filmdienst-Kritiker Josef Lederle konnte den Debatten schon eher etwas abgewinnen, unter anderem bei den Darlegungen des Filmkritikers Ariel Schweizer: "Aus der Beobachtung, dass bei den großen A-Festivals in den vergangenen Jahren häufig Dokumentarfilme als Beste Filme ausgezeichnet wurde, leitete er einen generellen Wandel von ambivalenten, formalästhetischen Sujets hin zu politisch-gesellschaftlich eindeutigeren, 'inhaltistischen' Themen ab, die kulturell leichter identifizierbar sind als ästhetisch komplexe Spielfilme."

Tilman Schumacher von critic.de hielt sich von den Debattenpodien fern und ging stattdessen lieber in die Kinos. Dort erlebte er denn auch jene Vielfalt der Stimmen, die Kritiker dem Festival in Abrede stellen wollten, etwa mit dem Segment des schwedischen Verleihs Filmform, der "ein dezidiert antiimperialistisches bis -zionistisches Programm" präsentierte. "Einen vor Publikum vorgetragenen und sichtlich um deeskalierende Ausgewogenheit bemühten Widerspruch zur offiziellen Festivalposition habe ich auch von einem der Kuratoren erlebt. Beide Protestformen waren uneingeschränkt möglich und erhielten in Teilen Beifall von den Besucher:innen. Aus meiner Sicht herrschte zu keinem Zeitpunkt eine Atmosphäre der Einschüchterung oder eine solche Situation vor, die man als Beschneidung der Redefreiheit verstehen könnte." Katharina J. Cichosch befasst sich derweil in der taz mit dem Fokus "Übersehene Filme" des Festivals.

Oliver Masucci als Regisseur Oliver Masucci, der aussieht wie Regisseur Oskar Roehler

Oskar Roehlers "Bad Director" ist eine Art schäbig-grelle Variante von "Die amerikanische Nacht", François Truffauts Liebesbrief ans Filmedrehen, erfahren wir von Daniel Kothenschulte in der FR. Der sichtlich als Selbstporträt angelegte Filmemacher Gregor Samsa darin wird aber immerhin nicht von Roehler selbst, sondern von Oliver Masucci gespielt. "Und was den schwarz gefärbten Haaren an Fett noch fehlt, das ergänzt Masuccis Spiel mit gekonnten Griffen ins Schmierentheater. Alles was Truffaut an seiner Berufsauffassung fast pathetisch idealisierte, die leise Führung durch Empathie und bewunderte Fachkenntnis, das reißt Roehlers Alter Ego mit Anlauf in den Dreck."

Weitere Artikel: Morticia Zschiesche wirft für den Filmdienst einen Blick auf die Lage der Kommunalen Kinos. Jenni Zylka spricht für die taz mit dem Regisseur Wes Ball über seinen (im Standard besprochenen) Science-Fiction-Film "Planet der Affen: New Kingdom". Und Georg Seeßlen freut sich im "Kultursommer" der Zeit auf die Locarno-Retrospektive zur Geschichte der Columbia Studios.

Besprochen werden Kelly Reichardts "Showing Up" (Tsp), Jerry Seinfelds Netflix-Kellogg's-Komödie "Unfrosted" (FD, SZ), Heidi Specognas Porträtfilm "Die Vision der Claudia Andujar" über die Fotografin und Aktivistin (FD, SZ), Ralf Büchelers Dokumentarfilm "Im Land der Wölfe" (FAZ), Pablo Bergers Animationsfilm "Robot Dreams" (Zeit Online, Standard, FR),  Cord Jeffersons auf Amazon Prime gezeigte Literaturbetriebs-Satire "American Fiction" (für die SZ online nachgereicht vom TA), die auf Apple gezeigte Serie "Dark Matter" (taz) und die Amazon-Romcom "Als du mich sahst" (Presse). Außerdem hier der Überblick mit allen Kritiken des Filmdiensts zur aktuellen Kinowoche.

Efeu - Die Kulturrundschau vom 07.05.2024 - Film

Michael Ranze resümiert in der FAZ die Internationalen Kurzfilmtage Oberhausen, die unter anderem mit einem Fokus auf die Geschichte des Sportfilms aufwarteten. Dabei ging es nicht ums gängige Dramenformat, das man heute Sportfilm nennt, sondern um Kurzfilme zwischen Berichterstattung und Experiment. "Sport hat mitunter auch etwas Lächerliches, weil sich die Übungen so endlos wiederholen und die Anstrengungen oftmals nicht von Erfolg gekrönt sind. Und doch sind Sportler die einzigen Helden, die es noch gibt." In Laila Pakalninas "lettischem Kurzfilm 'Short Film About Life' sehen neun Fußballer dabei zu, wie ein unsichtbarer Kollege an einem Elfmeterschießen, das muss man zumindest annehmen, teilnimmt. Erst die Spannung, dann die Enttäuschung. Die Gruppe bricht auseinander, das Spiel ist verloren. Das Elfmeterschießen wird so zu einem absurden Moment, weil die Männer, die zu sehen sind, nicht eingreifen können. 'Anatomie d'un mouvement', 1967 von Francois Moreuil inszeniert, untersucht die Übungen eines Reckturners. Dabei zerlegt der Film die Bewegungen und macht so die Außerordentlichkeit der Körperbeherrschung deutlich. Einmal dreht sich die Kamera beim Körperschwung ums Reck sogar mehrmals mit - ein Moment des Staunens."

Besprochen wird außerdem Radu Judes auf Mubi gezeigter Film "Erwarte nicht zu viel vom Ende der Welt" (FAZ, mehr dazu hier).

Efeu - Die Kulturrundschau vom 06.05.2024 - Film

David Haddas "Die Zweiflers"

Hannah Lühmann ist in der Welt komplett umgehauen von David Haddas bereits in Cannes ausgezeichneter ARD-Serie "Die Zweiflers" über eine jüdische Familie, die in Frankfurt ein Delikatessengeschäft betreibt: "Ein 'jüdisches Sopranos' wollte er schaffen" und, "Gott, das ist ihm gelungen! ... Diese Serie ist deswegen so ungeheuer gegenwärtig, weil sie ein Milieu gewählt hat, das man so im Fernsehen nicht kennengelernt hat. Und aus dem heraus sich gerade deswegen alle Konflikte unserer Zeit mit einer so nicht gekannten Leichtigkeit erzählen lassen."

Weitere Artikel: Jonathan Guggenberger resümiert in der taz die ersten Tage der Internationalen Kurzfilmtage Oberhausen. Marius Nobach (FD), Jenni Zylka (taz), Jan Küveler (Welt), und Andreas Kilb (FAZ) resümieren die Verleihung des Deutschen Filmpreises (mehr dazu bereits hier). Besprochen werden Charlotte Wells' "Aftersun" (FAZ), Elene Naverianis "Amsel im Brombeerstrauch" (Standard), Davide Ferrarios Dokumentarfilm "Umberto Eco: Eine Bibliothek der Welt", der in Deutschland bereits seit Ende März im Kino läuft (Standard) und Michael Showalters auf Amazon gezeigte Romanze "Als du mich sahst" mit Anne Hathaway (SZ). In der Presse gibt Andrey Arnold aktuelle Kinotipps.

Efeu - Die Kulturrundschau vom 04.05.2024 - Film

Gestern wurde der Deutsche Filmpreis verliehen: Der Hauptpreis ging an Matthias Glasners "Sterben", die "beste Regie" an Ayşe Polat für "Im toten Winkel". Beide Filme bekamen am Abend auch die meisten Auszeichnungen. Andreas Busche vom Tagesspiegel kann damit gut leben: Es "wurden zielsicher die beiden Filme ausgezeichnet, die das Versprechen eines überraschenden, noch nicht von Fördergremien konfektionierten deutschen Kinos einlösen. Der dritte Hoffnungsträger, der hier erwähnt werden sollte, Timm Krögers Sci-Fi-Noir 'Die Theorie von Allem', gewann drei Lolas in den Kategorien Kamera, Szenenbild und visuelle Effekte. Für den sogenannten künstlerischen Film ... stimmen diese Preise optimistisch, auch wenn der Referentenentwurf aus dem Hause Roth bisher vor allem auf wirtschaftliche Anreize abzielt."

"An diesem Abend sollte auf keinen Fall etwas schiefgehen", resümiert Carolin Ströbele auf Zeit Online den Abend, das Debakel der Berlinale-Abschlussgala noch in guter Erinnerung. "Claudia Roth erinnerte zu Beginn ... an die Situation der israelischen Geiseln, die sich immer noch in der Gewalt der Hamas befinden: 'Bring them home now.' Roth sprach weiter von der erschütternden Situation der Zivilbevölkerung in Gaza, der Lage im Sudan, dem Krieg in der Ukraine. ... Warnungen vor zunehmendem Antisemitismus und Rechtsextremismus in Deutschland prägten auch den weiteren Abend, am eindringlichsten in der Rede von Margot Friedländer. Die 102-jährige Holocaustüberlebende ... sagte: 'Als ich vor 14 Jahren zurückgekommen bin, hätte ich es mir nicht träumen lassen, was jetzt in der Öffentlichkeit los ist. So hat es damals auch angefangen.' An die rund 1.600 Gäste richtete sie einen Appell: 'In diesem Raum sitzen ganz viele Geschichtenerzähler. Ihr habt die Verantwortung, die Kraft des Films zu nutzen, damit so etwas nie wieder passiert. Ich bitte euch: Seid Menschen.'"

Thomas Thiel berichtet für die FAZ von einer Paneldiskussion der Internationalen Kurzfilmtage Oberhausen zum Bekenntniszwang im Film- und Kulturbetrieb, der in aller Regel zu Unterschriften gegen Israel führt. "Wie kommt es, dass Autorenfilmer, die Wert auf ihre unverwechselbare Handschrift legen und gern schwierige, widersprüchliche Stoffe wählen, bei politischen Themen im Gleichschritt marschieren? Weil sie sich nicht damit auskennen, aber trotzdem überall mitmachen, wäre die erste Antwort. Kunst wird von der Kulturförderung immer häufiger nach Gesinnungskriterien bewertet. Oft kommt ein narzisstischer Überschwang dazu. ... Bazon Brock machte die Zurückdrängung des individuellen Autors durch Bekenntniskollektive für die Kulturmisere verantwortlich und forderte, dem Künstler, Bürger und Wissenschaftler in dem kunstfernen Betrieb wieder eine Stimme zu geben."

Außerdem: Thomas Abeltshauser spricht für die taz mit Kelly Reichardt über deren Komödie "Showing Up". Michael Ranze erinnert im Filmdienst an Valerio Zurlinis Drama "Das Mädchen mit dem leichten Gepäck", das Claudia Cardinale 1960 berühmte machte. Doris Akrap weist in der taz darauf hin, dass das diesjährige Münchner Dokfest auch online wieder eine Auswahl seiner Filme zeigt.

Besprochen werden Stéphane Brizés Liebesfilm "Zwischen uns das Leben" (FAZler Andreas Kilb weist dieses "gefühlsdunstige Einerlei" weit von sich), die ARD-Serie "Die Zweiflers" (FAZ), die Netflix-Serie "Ripley" nach dem berühmten Roman von Patricia Highsmith (Jungle World), der Netflix-Sechsteiler "Briganti" (Presse) und eine Dortmunder Ausstellung zu 35 Jahren "Die Simpsons" (taz).

Efeu - Die Kulturrundschau vom 03.05.2024 - Film

Andreas Scheiner spricht für die NZZ mit Lars Henrik Gass über die Kampagne, die gegen ihn und die von ihm verantworteten Internationalen Kurzfilmtage Oberhausen wegen eines böswillig umgedeuteten, israelsolidarischen Postings stattfindet. Rund hundert Filme sind dadurch dem Festival durch Absagen und Rücknahmen abhanden gekommen, erzählt er und verweist auf den straff organisierten Netzwerkcharakter der anonym geführten Kampagne, bei der er es offenbar zum guten Ton gehört, mitzutun und dabei zu sein. "Leute, die mich und dieses Festival sehr genau kennen, machen da mit, obwohl sie ganz genau wissen, dass das, was in dieser Erklärung steht, diffamierend ist", etwa "dass hier palästinensische Stimmen irgendwie zum Schweigen gebracht würden. Wir hatten noch im letzten Jahr ein Programm, das ausschließlich palästinensischen Positionen gewidmet war. Es ist so vieles von vorne bis hinten falsch. Ich war immer auch für sogenannte postkoloniale Fragestellungen offen oder für das, was wir heute als Filmschaffen des globalen Südens bezeichnen. ...  Ein Teil des Problems ist, dass der Charakter einer solchen Kampagne - weil anonym gesteuert - Dialog geradezu ausschließt. Sie ermöglicht also auch keinen Aushandlungsprozess. Eine solche Kampagne bewirtschaftet nur Ressentiments und eine Affektökonomie, die völlig unreguliert Wirkungen hat." In der Welt fasst Hanns-Georg Rodek die Kampagne gegen Gass und das Festival sowie die unmittelbaren Folgen für diesen Festivaljahrgang zusammen. Daniel Kothenschulte, der das Festival auf seinem Facebook-Account mit schweren Vorwürfen übersäht hatte, berichtet in der FR von ersten Filmen des Wettbewerbs und Debattenpodien.

Außerdem: David Steinitz porträtiert für die SZ den Schauspieler Ryan Gosling, der aktuelle an der Seite von Emily Blunt in der (in der NZZ, im Freitag und bei uns besprochenen) Actionkomödie "The Fall Guy" zu sehen ist.In der FAZ gratuliert Dietmar Dath der Schauspielerin Renate Blume zum 80. Geburtstag.

Besprochen werden Robert Gwisdeks "Der Junge, dem die Welt gehört" (Perlentaucher Benjamin Moldenhauer erlebte in den besseren Momenten "eine leise entrückte und trotzdem mit realen Erfahrungen verbundene Liebesgeschichte"), Jerry Seinfelds Netflix-Komödie "Defrosted" (FAZ), Stéphane Brizés Liebesfilm "Zwischen uns das Leben" (Standard), Claudia Rorarius' "Touched" (FAZ), Joanna Ratajczaks Dokumentarfilm "Trust Me" über Polyamorie (SZ) und Cinzia Torrinis Netflix-Biopic "Die schöne Rebellin" über Gianna Nannini (SZ).

Efeu - Die Kulturrundschau vom 02.05.2024 - Film

"Erwarte nicht zu viel vom Ende der Welt" von Radu Jude mit Nina Hoss

"Autofiktion, puh", sagt der rumänische Auteur Radu Jude im taz-Gespräch mit Thomas Abeltshauser auf die Frage, ob sein neuer Film "Erwarte nicht zu viel vom Ende der Welt" über den gehetzten Alltag einer Produktionsproduzentin viel mit seiner eigenen Lebensrealität zu tun habe. Mit dieser Mode der Nabelschau nerven ihn auch seine Filmstudenten zusehends, erklärt er. "Dabei ist eins der mächtigsten Dinge, die das Kino tun kann, die Welt zu betrachten und nicht sich selbst." Von Provokationen mit dem Trash und schlechtem Geschmack wie in seinem Berlinale-Gewinner "Bad Luck Banging or Looney Porn" sieht er dabei mittlerweile zwar ab und versucht, "auf eine Art ganz ohne Geschmack zu sein, die Dinge nicht mit Vorlieben und Abneigungen zu betrachten. Ich versuche andere Perspektiven aufzunehmen, offener zu sein. Ich würde heute sogar sagen: Schlechten Geschmack gibt es nicht. Wenn man etwas vermeintlich Geschmackloses ernst nimmt, wird es zu gutem Geschmack. Mit etwas zu provozieren hängt sehr von der Kultur ab, von der Gesellschaft und der Zeit. Es gibt immer Grenzen, deren Überschreitung eine Art Provokation darstellt. Aber darauf lege ich es mit meinen Filmen gar nicht an." Für den Freitag bespricht Silvia Bahl den Film.

Weitere Artikel: Nach den jüngsten Entwicklungen beginnt Frankreich sein Verhältnis zu Gérard Depardieu zu überdenken, berichtet Cécile Calla auf Zeit Online. Daniel Gerhardt erzählt auf Zeit Online von seiner Begegnung mit Emily Blunt und Ryan Gosling, die in der neuen (in der taz und bei uns besprochenen) Actionkomödie "The Fall Guy" zu sehen sind. Philipp Stadelmaier berichtet im Filmdienst vom vierten Kongress "Zukunft Deutscher Film". Außerdem gratuliert Stadelmaier in der SZ den Internationalen Kurzfilmtagen Oberhausen zum 70. Jahrgang. In der NZZ  blickt Jörg Scheller auf 25 Jahre "Spongebob" zurück. Geertjan de Vugt blättert für die SZ durchs Programm des Münchner Dokfests.

Besprochen werden Stéphane Brizés "Zwischen uns das Leben" (Freitag, Tsp), Toshimichi Saitos Dokumentarfilm "Das Streben nach Perfektion" über Köchinnen und Köche in Tokio (FR), Claudia Rorarius' Debüt "Touched" (Tsp), Kanwal Sethis Beziehungsdrama "Was von der Liebe bleibt" (FR). und die Netflix-Serie "Baby Reindeer" (SZ). Außerdem informiert das Filmteam der SZ, welche Filme sich lohnen und welche nicht. Und hier alle Kritiken des Filmdiensts zur laufenden Kinowoche.

Efeu - Die Kulturrundschau vom 30.04.2024 - Film

Trip ins Innere: "Der Junge, dem die Welt gehört"

Der Schauspieler und Musiker Robert Gwisdek hat mit "Der Junge, dem die Welt gehört" sein "verspieltes Debüt" als Regisseur vorgelegt, schreibt Jens Balkenborg in der FAZ, und erzählt darin "von einem Musiker, dessen Auftrag darin bestehe, ... die Welt in Musik zu verwandeln". Bei den Hofer Filmtagen gab es für diese im übrigen ohne den regulierenden Durchgriff der Filmförderbürokratie entstandene "Reise ins Innere", diesen "tiefenpsychologischen Trip" bereits eine Auszeichnung für die beste Regie. "Der Film erzählt märchenhaft-tänzerisch, das Innere mit dem Äußeren verbindend - man achte auf die Türen -, von der Poesie der Welt, der Liebe und der Freiheit."

Weitere Artikel: Marisa Buovolo (NZZ) und Andreas Kilb (FAZ) gratulieren Jane Campion zum 70. Geburtstag. Josef Nagel führt in einem Filmdienst-Essay durch Campions Werk. Besprochen werden David M. Leitchs Actionkomödie "The Fall Guy" mit Emily Blunt und Ryan Gosling (Standard, Welt, Presse) und Zack Synders Netflix-SF-Reißer "Rebel Moon 2: Die Narbenmacherin" (Presse, critic.de).

Efeu - Die Kulturrundschau vom 29.04.2024 - Film

Regine Müller spricht für die taz mit Lars Henrik Gass, den Leiter der Internationalen Kurzfilmtage Oberhausen, über die Anfeindungen, die über ihn und sein Festival ergehen, seit er sich auf Facebook nach den Massakern, Vergewaltigungen und Geiselentführungen der Hamas in den Augen des juste milieu zu israelsolidarisch gezeigt hatte. Die Folgen für das renommierte Festival: zahlreiche Absagen, Rücktrittforderungen und Boykottaufrufe. Er beobachtet mit einem Begriff der Soziologin Alexandra Schauer eine "rituelle Vergemeinschaftung", bei der es darum gehe, "die Reihen zu schließen", und "einen kulturellen Code, der inzwischen Mainstream ist: etwas gegen Israel zu haben. Ohne dass man diesen Code reproduziert, indem man die Hand hebt oder unterschreibt, kann man in weiten Teilen des Kulturbetriebs heute gar nicht mehr bestehen. ... Ich halte es für ein Problem, dass in diesem Prozess die Objekte aus dem Blick geraten, die Kunst selbst. Für Ästhetik gibt es keine Begriffe mehr, weil die Ästhetik nun das Vehikel ist, um politisches Engagement zu transportieren. Volksgemeinschaft ist ein Schreckensszenario, das Gegenteil davon, was Kunst und Kultur einmal auszeichnete. Nämlich, dass dort gesellschaftliche Widersprüche durch vertiefte Wahrnehmung und genaueres Denken sichtbar werden können." Für Dlf Kultur sprach Patrick Wellinski mit Gass.

Weitere Artikel: Im Filmdienst schreibt Josef Schnelle einen Nachruf auf Michael Verhoeven (weitere Nachrufe bereits hier). Dessen Sohn, der Filmemacher Simon Verhoeven, spricht auf Zeit Online über seinen Vater. In der NZZ gratuliert Andreas Scheiner Jerry Seinfeld zum Siebzigsten. Paul M. Horntrich erinnert im Standard an den Skandal, den Ingmar Bergmans "Das Schweigen" bei seiner Premiere vor sechzig Jahren auslöste.

Besprochen werden Stephane Brizés "Zwischen uns das Leben" (taz) und der NDR-Dreiteiler "Die Mutigen 56 - Deutschlands längster Streik" über den Metaller-Streik im Oktober 1956, der als längster Streik in der Geschichte der Bundesrepublik gilt und dem wir die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall verdanken (FAZ).