Was in der Branche seit langem gemunkelt wurde, hat
Brockhaus nun bestätigt: Die 2005 neu aufgelegte, sündhaft teure
Brockhaus Enzyklopädie (2670 Euro für 24.500 Seiten) ist offenbar ein
Ladenhüter, und die Mannheimer machen dadurch
Verluste. Wie
buchreport berichtet, geht zum 14. April das kostenlose Portal
"Brockhaus online" mit allen Enzyklopädie-Inhalten an den Start, im Vertrauen auf ein Erlösmodell, das auf
Werbeeinnahmen basiert. 2007 seien die
Umsatzziele laut Verlag
deutlich verfehlt worden, dies führe zu Millionen-Verlusten. Konsequenz: Von den insgesamt 450 Stellen der Verlagsgruppe, die Sitze in Mannheim, Leipzig, Frankfurt, Dortmund und Weingarten unterhält, sollen
50 gestrichen werden; die Brockhaus-Redaktion in Leipzig werde im Rahmen "massiver Investitionen" in den neuen Auftritt in eine
reine Online-Redaktion umgewandelt, das ganze unter der Leitung der Journalistin
Sigrun Albert (früher Redaktionsleiterin von
brigitte.de - na, das passt ja gut zusammen); somit ist die gedruckte Enzyklopädie, die 2005 mit einem marketingetat von fünf Millionen Euro angeschoben wurde, Geschichte. Eigentümliche Koinzidenz der Ereignisse: Am selben Tag, an dem Brockhaus das enzyklopädische Scheitern verkündete, starteten die
Bertelsmann-Tochter
Wissen Media und die
Spiegel-Gruppe das Portal
"Spiegel Wissen" (
hier), das neben zahlreichen eigenen Substanzen auch Inhalte der
Wikipedia nutzt. Im Kommentar schreibt Chefredakteur
Thomas Wilking, dass es bei Brockhaus Online "um die
nackte Überlebensprüfung einer lange konkurrenzlosen bildungsbürgerlichen Institution" geht.
Weiteres Schwerpunktthema: der
rationale Warenbezug in der Branche. Die Gesellschafter-Buchhandlungen der
Arbeitsgemeinschaft Marketing (AGM) testen ein neues Modell, mit dem sie sich in das
Zentrallager der marktführenden
DBH-Gruppe (u.a.
Weltbild und
Hugendubel) einklinken und außerdem den Dienstleister
Libri stärker einbinden - 3500 Top-Titel würden damit für die AGM-Buchhandlungen von der DBH mit eingekauft und von dem von Libri organisierten Zentrallager in Bad Hersfeld ausgeliefert. Von der Rationalisierungsbegründung, so buchreport, weise das Modell viele Parallelen zum
Anabel-Modell der
eBuch-Genossenschaft auf (
hier der Artikel).
Während der
Börsenverein noch an Modellen zum
Vertrieb von digitalen Büchern feilt, setzen US-Verlage neue Maßstäbe:
Random House testet nach einem Bericht von buchreport (unter Berufung auf einen
Artikel in der
New York Times) den kapitelweisen Verkauf von Büchern (
hier),
HarperCollins stellt ganze Bücher (u.a. von
Paulo Coelho und
Neil Gaiman) für einen begrenzten Zeitraum komplett ins Netz (
hier) - in der Hoffnung, dass dies Appetit auf die Printausgabe macht. Damit folgten die Publikumsverlage einerseits Verlagen wie
O?Reilly (USA) oder
Enaudi (Italien), die schon vor Jahren ähnliche Modelle verfolgt hätten, andererseits der Musikindustrie, in der zuletzt beispielsweise
Radiohead neue Vertriebsformen (Hörer konnten Preis für Download selbst bestimmen) testete.
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