Nein, die Berliner Republik ist
nicht Weimar. Aber der
taz-Autor Klaus Hillenbrand
fühlt sich durch den gewalttätigen Angriff auf den Dresdner Poltiker
Matthias Ecke und andere politische Gewalttaten gegen grüne und SPD-Politiker trotzdem an "die
düsteren Zeiten um 1930" erinnert: "Es ist die enthemmte Gewalt, die alarmiert. Die Bereitschaft, politische Auseinandersetzungen mit der Faust zu führen. Der Konsens in der alten Bundesrepublik, dass so etwas bei Strafe der politischen Ächtung nicht statthaft ist, ist zerbrochen, das zeigen auch manche
zynischen Reaktionen aus den Reihen der AfD. Und wenn auch rechts eingestellte Personen zu den Angegriffen zählen, so ist beim weit überwiegenden Teil aller Taten eine
rechtsradikale Motivation der Täter naheliegend."
Den
Weimar-Vergleich möchte der sächsische Innenminister
Armin Schuster (CDU) im
SZ-Interview mit Jan Heidtmann in Bezug auf den Angriff auf Matthias Ecke nicht ziehen. "Das mit Weimar zu vergleichen, geht mir zu weit. Das sehe ich nicht so. Mein Befund ist aber auf eine andere Art nicht gut: Ich glaube, viele der Übergriffe sind nicht geplant, sondern
spontane Aktionen. Das hat dann nichts mit Weimar zu tun, wo sich klar definierte Gruppen gegenüberstanden. Ich glaube, es ist vielmehr eine allgemeine Verrohung, die solche Angriffe leicht und jederzeit möglich macht. Diese latente Bedrohung ist polizeilich allerdings schwieriger zu beherrschen, als wenn wir
eine harte Rechts-Links-Front hätten. Das Gefährliche an dieser Situation war vorhersehbar, der äußerste rechte Rand der Parteien verliert bei seinen Mitgliedern und Anhängern in vielen Bereichen zunehmend die Kontrolle."
Nach dem Attentat von Hanau ließ das Bundesinnenminsterium für 1,5 Millionen Euro von der Expertin Saba-Nur Cheema und anderen einen
Bericht zur Muslimfeindlichkeit erstellen, der heute
weggeperrt ist: Der Bericht enthielt Angriffe auf Diskursgegner, die vor Gericht als nicht statthaft verurteilt wurden. Jörg Metes konnte den Bericht trotzdem lesen und
resümiert ihn für die
Ruhrbarone. Nicht leugnen kann er, dass die Experten ein großes
Potenzial für den Arbeitsmarkt offengelegt haben, denn das wichtigste seien die zu treffenden Maßnahmen: "Der Expertenkreis denkt an 'Präventions'-, an 'Integrations'- und an 'Interventionsmaßnahmen'. Er denkt an 'Bildungs'- und an 'Fortbildungs'- und an 'Sensibilisierungsmaßnahmen'. Er denkt an 'Aufklärungs'-, an 'Empowerment'-, an 'Mentoring'- und an 'Fördermaßnahmen'. Er denkt sogar an '
Handlungsmaßnahmen'. Und für die Durchführung braucht es natürlich die verstärkte Einbeziehung von
Fachleuten. Und es braucht erst recht
mehr Forschung zum Themenfeld Muslimfeindlichkeit. Es bedarf eines
nachhaltigen Ausbaus dieser Forschung, und zwar durch einschlägige Professuren, Förderlinien und Studiengänge."
Gegen antiisraelische Äußerungen könnte bald stärker vorgegangen werden, das geht zumindest aus einem Briefwechsel zwischen Bundesinnenministerium und Bundesjustizministerium hervor, schreibt Ronen Steinke in der
SZ. In dieser Frage sei Innenministerin
Nancy Faeser sowieso schon ohne Zustimmung des Bundestages vorangeschritten: "Die Parole 'From the river to the sea, Palestine will be free' wurde Anfang November von Faesers Haus per ministerialer Verfügung zu einem Symbol der verbotenen Hamas erklärt. Die Folge ist, dass die Parole nun als
Kennzeichen einer terroristischen Organisation gilt - strafbar nach Paragraf 86a des Strafgesetzbuchs mit Geldstrafe oder bis zu drei Jahren Haft. Es gibt in einzelnen Bundesländern schon erste Strafverfahren deswegen."
Die Gruppe "
Muslim Interaktiv" ist schon lange aktiv, 2020 haben sie schon das Attentat in Hanau als anti-palästinensisches Attentat umgedeutet, erklärt der Historiker
Volker Weiß in der
SZ. "Die Agitatoren von Muslim Interaktiv beherrschen die Kunst, den eigenen Absolutheitsanspruch mit
zivilgesellschaftlicher Toleranzrhetorik vorzutragen. Neben den Schildern, auf denen das Kalifat als Lösung aller Probleme gepriesen wird, werben sie für 'Diskurs' und prangern eine 'koloniale Ordnung' an. Ebenso virtuos wie die deutschen Rechten beherrschen sie die Opferrolle, sie klagen über 'Islamfeindlichkeit' und 'Unterdrückung' von Muslimen in der 'Wertediktatur' westlicher Demokratien. Indem sie ihre rigiden Religionsauslegungen und -praktiken mit denen 'der Muslime' gleichsetzen, werden Maßnahmen gegen den politischen Islam zur
Repression gegen die gesamte Religion umgedeutet. So will sich die Kalifats-Ideologie unter der Fahne der Toleranz und Religionsfreiheit den Weg bahnen." Hier zeige sich auch, "wie lähmend der Identitätszirkus der letzten Jahre wirkt". "Die Lähmung wird nur aufgelöst werden, wenn religiöse und ethnozentristische Identitäre, politischer Islam und extreme Rechte als
Teile desselben Problems erkannt werden."